Post aus Brüssel: Teamwork 09/2022
Bei durchschnittlich 199 Regentagen pro Jahr in Brüssel gibt es viele Worte für Regen in all seinen Aggregatszuständen. Seit einigen Sommern hat sich das radikal geändert und 2022 ist das Jahr, in dem wir immer öfter über „la canicule“, die Hitzewelle, reden.
Belgien wird ohnehin ab dem Nationalfeiertag am 1. Juli ganz ruhig. Geschäfte und die EU-Institutionen gehen in die Sommerpause. Auch die Eisenbahn hat Mitte Juli 30 Züge gestrichen, da die „Hitze untertags die Schienen gefährdet“. Wer aus der heißen Stadt flüchtet, nimmt eben einen Morgen- oder Abendzug. Denn anders als in Wien gibt es in Brüssel nur wenige Möglichkeiten, sich gratis oder günstig abzukühlen. Kein einziges öffentliches Sommerfreibad, nur drei öffentliche Hallenbäder. Kein Gewässer, zu dem wir einfach mit der U-Bahn fahren können, um ins Wasser zu springen. Die wenigen Sportbecken sind meist von Klubs belegt, private Schwimmbäder rar und vor allem teuer. Seit ein paar Jahren versucht die Initiative „pool is cool“ Abhilfe zu schaffen und hat letztes Jahr in Anderlecht, einer der 19 Brüsseler Gemeinden mit einem starken Anteil von Arbeiter*innen, ein temporäres Schwimmbad namens „Flow“ errichtet. Um zwei Euro können Erwachsene an einem fix zu buchenden Zeitfenster schwimmen… eine Dreiviertelstunde lang. Kinder zahlen die Hälfte. Der Pool ist 17 Meter lang und sieben Meter breit, klar, dass da die Leute sortiert werden müssen. Ein Erfolg ist es trotzdem, nicht nur für die Menschen, die hier plantschen, schwimmen, schwimmen lernen können, sondern auch für die Idee, denn „Flow“ ist unter den Finalisten des Europäischen Preises für öffentliche Räume in Städten. Eine schöne Anerkennung für ein Projekt, das angesichts der Hitzewellen immer wichtiger wird.