Diesen Beitrag widme ich meinem geliebten Vater Dr. Otto Kauer, der ein Kämpfer für die Menschen und den Frieden im Kleinen wie im Großen war und die Tradition des Roten Wien in der Wohnungspolitik stets mit viel Wissen und Humor hochhielt.
Wohnen ist ein elementares Bedürfnis der Menschen. Ohne leistbares Wohnen in lebenswerten Grätzln (für die deutschen FreundInnen: Quartiere) gibt es keine Arbeit, keine Ausbildung, keine Absicherung. Ohne qualitätsvolles Wohnen gibt es kein Wasser, keine Wärme, keine Geselligkeit mit der Familie und den NachbarInnen. In einer Wohnung planen Menschen ihr Leben, ihre Familie, ihr Altsein. Daher ist ein Qualitätsmerkmal beim Wohnen auch immer das unbefristete Mietverhältnis oder auch eine berechenbare Kreditfinanzierung, die nicht von volatilen Märkten abhängt, sodass man oder frau dann in Wahrheit „MieterIn der Bank“ ist und das Wohneigentum reine Illusion.
Wien ist international Vorbild
Meine Heimatstadt Wien zeigt seit fast 100 Jahren, dass nur mit einem klaren Bekenntnis zu einer guten Wohnversorgung für alle Menschen dieses Bedürfnis erfüllt werden kann. Daher bin ich als Wienerin stolz, eine der zwei Koordinatorinnen der EU-Städtepartnerschaft zum Thema „Leistbares Wohnen“ zu sein. Wir arbeiten gemeinsam mit anderen Städten, dem Städtenetzwerk EUROCITIES, mehreren Mitgliedstaaten, dem Internationalen Mieterbund (IUT), dem Dachverband der Gemeinnützigen Wohnbauträger (Housing Europe), der Europäischen Kommission und der Europäischen Investionsbank daran, für alle Menschen in der EU die Wohnbedingungen zu verbessern. Dabei lernen wir auch viel darüber, wie die Wohnpolitik in anderen Städten und Ländern aussieht, welche Probleme und Sorgen es gibt, und auch, wieviel perfiden Widerstand es gegen das Konzept eines leistbaren, qualitätsvollen und sozialen Wohnbaus allerorten – und mit Hilfe sehr mächtiger Lobbies – gibt. Und das, obwohl gerade in Berlin zehntausende Menschen auf die Straße gingen, in Bratislava die Menschen auf´s (oft niederösterreichische) Land ziehen müssen.
Ein gutes Leben als Maßstab
Wer auf Verknappung des leistbaren Wohnungsangebots abzielt, hat nur eines im Sinn: Preissteigerungen bei Miete und Eigentum. Diese kurzfristigen Profite dürfen nicht das Leitmotiv der EU-Politikbereiche, die sich auf das Wohnen auswirken, sein. Vielmehr muss der Maßstab sein, dass sich die Menschen nicht nur das Wohnen, sondern auch ein gutes Leben leisten können. Dazu muss viel gebaut und renoviert werden, und es muss gut und leistbar sein. Wenn also derzeit in Österreich die geplante Wohnbaubank, die mit einem EIB-Kredit 30.000 neue und v.a. leistbare Wohnungen gebracht hätte, ad acta gelegt wird, ist die Auswirkung klar: unmittelbar wird nichts in die Realwirtschaft investiert, mittelbar wird das Angebot knapper, die Mieten und Preise werden weiter steigen, Wohnungen werden überbelegt sein, junge Erwachsene werden lange noch bei den Eltern leben oder in prekären Wohnverhältnissen gefangen sein. Alte Menschen, gerade auch Frauen mit ihrem geringeren Einkommen im Alter, werden der Armutsfalle noch näher rücken. Am Ende werden die ohnehin angespannten Sozialbudgets, die oft von Städten und Regionen verantwortet werden, gefordert sein, das Armutsrisiko zu verringern. Damit werden dann indirekt zu teure Wohnkosten von der öffentlichen Hand übernommen, die dann wieder keine Ressourcen mehr für (real gebaute) Investitionen in leistbares Wohnen hat. Perfid, nicht?
Inspirationen für gutes Wohnen für alle Menschen
Damit das nicht so bleibt, braucht es auch auf EU-Ebene bessere Rahmenbedingungen für leistbares Wohnen. Die Wohnungsmärkte sind EU-weit fragmentiert und – das wissen wir spätestens seit Beginn der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise – von fundamentalem Marktversagen geprägt. Zwischen Stadt und Land, aber auch innerhalb von Städten gibt es große Differenzen. Verbesserungen sind im gesetzlichen und finanziellen Bereich notwendig. Daran arbeiten wir in der EU-Städtepartnerschaft. Und wir sehen, dass wir – gemeinsam mit vielen anderen PartnerInnen – Erfolg haben: Die neue Europäische Säule sozialer Rechte setzt beim Wohnbau schon mehr auf soziale Durchmischung, im Europäischen Semester (dem Prüfverfahren der EU über die Einhaltung der Budgetregeln der Mitgliedstaaten) gibt es damit auch endlich ein sozialpolitsches Messverfahren.
Woher viele derjenigen Menschen, die sich für leistbares Wohnen engagieren, ihre Inspiration erhalten? Das Lied „Liberdade“ der portugiesischen Revolution 1974 handelt von „Friede, Brot und Wohnen“. Es erzählt die Geschichte, wie ein gutes Leben für alle machbar ist. Das Wohnen und der Frieden sind dabei Grundvoraussetzungen. Mit den Rosen wird auch das Glück, auf das wir alle ein Recht haben, möglich.